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Mit viel Farbe gegen Rassismus – Kristin Kossi will Zeichen setzen: 17 Jahre lang arbeitete die Hamburgerin als internationales Model, bis sie sich entschloss, lieber mit ihrer Kunst auf sich und auf Themen der Gesellschaft, der Konsum- und Modewelt aufmerksam zu machen. Mit Pop-Art und Neon-Installationen spricht sie unter anderem die Diskriminierung von farbigen Models an. Eine wunderschöne Frau mit Meinung, da bitten wir doch zum Brainbitch-Gespräch…

Frau Kossi, Sie setzen sich mit Ihren Bildern für die Chancengleichheit von dunkelhäutigen Models ein. Hat sich seit Ihren ersten Arbeiten schon etwas verbessert?
Leider geht das nicht so schnell. Nur wenige Designer haben es gewagt, mehr dunkelhäutige Models einzusetzen. Es ist wichtig, dieses Thema international weiterhin anzusprechen, denn diese pre-dominante eurozentrische Ästhetik muss langsam abgebaut werden. Mehr kulturelle Vielfalt ist zukunftsweisend. Hoffentlich wird die Modebranche diesen Weg gehen, und erkennen, dass an all den schönen unterschiedlichen Models das vereint wird, was wir an der Mode so lieben: die Vielfalt!

Auf welche Probleme wollen Sie mit ihrer Kunst noch aufmerksam machen?
Ich setze mich gerne mit allen möglichen Themen der heutigen Gesellschaft auseinander. Neulich habe ich eine neue Studie gelesen, in der deutlich hervorging, dass immer mehr Beziehungsprobleme wegen sozialer Netzwerke entstehen. Das hat mich dazu inspiriert, eine Arbeit anzufertigen, die ein Paar darstellt, das nicht mehr miteinander kommunizieren kann.
Ein anderes Thema, dass letztens viel diskutiert wurde, hatte mich ebenfalls dazu inspiriert, eine Arbeit anzufertigen: das Social Egg Freezing. Darin zeige ich eher ironisch eine eingefrorene, verwirrte Eizelle, die auf ihren Einsatz wartet. Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass unabhängig davon, dass diese Methode noch nicht reichlich erforscht ist, sich aber auch noch zum späten Lifestyle-Trend entwickeln kann und das Bataillon der 50-60-jährigen Mütter zur Norm. Die B.Z. am Sonntag hat diese Arbeit in ihrer Jahresrückblick-Ausgabe im Dezember 2014 veröffentlicht.

Sie erarbeiten Collagen, oft tauchen Leinwand-Schönheiten auf. Geht es Ihnen dabei um visuell interessante Figuren oder starke Charakter?
Ich male gern ausdrucksstarke Frauengesichter. Eine Frau, die persönliche Stärke, Stolz, Klugheit, eine Art Rebellion und Sexappeal ausstrahlt, ist für mich interessanter als einfach nur ein schönes glattes Gesicht. Dabei geht es mir auch oft um ihre Geschichte dahinter.

Sie wirken wie eine Powerfrau, die sich alles selbst erarbeitet. Würde es zu ihrem Frauenbild passen, wenn man sie aufgrund ihrer Beziehung zu Ex-HSV-Trainer Thomas Doll als Spielerfrau bezeichnet?
Ich kann mit diesem Begriff nichts anfangen! Die Bezeichnung müsste für mich neu definiert werden. Mein Partner ist ein Fußballtrainer. Und ich bin Künstlerin, die ihren eigenen Weg geht. Ich passe wohl kaum in die Spielerfrau-Schublade.

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?
Ganz und gar nicht. Viele Ansätze wie Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Unabhängigkeit im Leben einer Frau sind sehr wichtig und ich lebe auch danach. Wir sollten aber trotzdem nicht übertreiben und den Mann Mann sein lassen. Feminismus führt nämlich dazu, dass unsere Männer ihre männliche Rolle nicht mehr finden, sich manche wie verweichlichte Metropolenbewohner fühlen und das wollen wir ja nicht!? Das erklärt meiner Meinung nach diesen lustigen Vollbart-Trend, dem so viele Männer gerade folgen.

Sie sind zunächst in Russland aufgewachsen. Wie war das als dunkelhäutiges Mädchen?
In Russland und ohne Vater aufzuwachsen, war sehr hart. Ich habe Diskriminierung erfahren und war aufgrund meiner Hautfarbe eher eine Außenseiterin. Die Russen sind nicht sonderlich offen für alles, was ‚anders‘ ist. Ich musste lernen, mich durchzusetzen. Das hat mich sehr geprägt. Und so habe ich schon als kleines Kind die Malerei für mich entdeckt. So konnte ich mich wunderbar in meine Traumwelt zurückziehen und so meinem Bedürfnis nach Farben und Freiheit im damaligen grauen, sozialistischen Alltag nachgehen.

Viele Künstler beschreiben ihre Tätigkeit als therapeutisch, ist das bei Ihnen auch so?
Ich habe auch festgestellt, dass, wenn ich male, ich immer ausnahmslos in einem zufriedenen und glücklichen Modus bin. Kunst eröffnet einem andere Perspektiven, gibt einem Leichtigkeit und Freiheit. Vielleicht nicht gleich therapeutisch, aber auf jeden Fall enorm wohltuend.

Hat sich Ihr Bild von Schönheit eigentlich über die Jahre verändert?
Ich denke, dass meine Modelvergangenheit die Gegenwart als Künstlerin stark beeinflusst und die Schönheit eine Rolle spielt. Ich male gerne Gesichter. Jedoch bin ich als Künstlerin viel tiefer in der Materie, als jemals zuvor. Die Modewelt ist retuschiert, einheitlich, pseudoperfekt, so ziemlich unrealistisch. Diese Welt war für mich als Model normal. Ich male jetzt das Gegenteil davon, eher rebellische Frauentypen, die auch mal vergänglich wirken. Ich suche bewusst nach Charakterrollen, die ich auf lebensgroßen Leinwänden festhalte. Das ist für mich ein Ausdruck von echter Schönheit.

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