Selah Sue_PR_Brainbitch

In der Nacht als Whitney Houstin starb, schrieb Selah Sue ihre aktuelle Single „Alone“ – und zwar auch in Los Angeles. Die Belgierin ging mit ihrem ersten Album international so durch die Decke, dass man von der Blonden mit den krassen Augen viel erwartet hat. Sie war ja auch Support-Act von Prince, hallo?
Und jetzt ist da: das zweite Album „Reason“. Wer das folgende Interview durchliest, weiß auch, warum Brainbitch nicht nur Fan ihrer Musik ist, sondern wir klatschen auch für ihre Persönlichkeit…

Worum geht es auf Deinem neuen Album „Reason“?
Mein erstes Album thematisierte, die Selbstfindung. Jetzt mit der zweiten Platte müsste man ja meinen, dass es darum geht, dass ich Antworten auf meine Fragen habe. Aber so ist es nicht. Es ist einfach viel in den letzen Jahren passiert, das mich dazu zwingt, meine Vernunft walten zu lassen. Obwohl ich immer noch melancholische Fragen an das Leben stelle und auch depressive Phasen habe, muss ich jetzt anders handeln. Und darum geht es auf „Reason“, es gibt einfach Gründe, um alles am Laufen zu halten.

Was heißt das konkret. Welche Gründe hast Du gefunden?
Die erste Platte war sehr erfolgreich und plötzlich musste ich Boss von 20 Leuten sein, die 10 Jahre älter sind als ich. Ich habe mich neu verliebt und habe dadurch zwei Stiefkinder in meinem Leben, um die ich mich kümmere. Und ich wollte unbedingt mein zweites Album herausbringen. Es war und ist viel auf einmal. Also muss ich einfach meinen Verstand benutzen und vernünftig sein, damit alles so hinkriege, das ich glücklich bin. Damit ich alles unter einen Hut bekomme und die starken Gefühle miteinander vereinbare.

Wow! Mit 25 Stiefmama von zwei Mädels zu sein. Klingt herausfordernd!
Ja, die Töchter meines Freundes sind 12 Jahre und 9 Jahre alt. Wir leben zusammen in Belgien und ich liebe meine neue Familie sehr.

Bist Du dann nicht mehr Freundin als Mutter für die Mädchen?
Auch wenn es komisch klingt: Nein, ich bin eine Mutterfigur für sie. Ich krieg das auch gut hin und gefalle mir in der Rolle. Ich bin aber auch nicht, wie man sich sonst eine 25-Jährige vorstellt, sondern bin viel älter im Kopf. (lacht)

Oft sprechen Künstler von depressiven Zügen und Musik als Therapie. Glaubst Du, dass man Depressionen mit Musik heilen kann?
Nein, das ist eine ernste Krankheit. Du solltest einen guten Therapeuten aufsuchen und manchmal brauchst du sogar Medizin, um über etwas wegzukommen. Aber Musik kann einem schon helfen, sich besser zu fühlen. Ich bin wirklich glücklich, dass ich die Musik nutzen kann, mich auszudrücken, meine Gefühle rauszulassen.

Ist Musik Deine Therapie?
Nein, ich geh zum Psychologen. (lacht)

Du hast ja selbst einmal Psychologie studiert…
Ja, ich war drei Jahre an der Uni. Aber mittlerweile denke ich, dass du im Leben und mit deinen Erfahrungen mehr über Psychologie lernst, als du in Büchern lesen kannst.

Und Du triffst ja auch bestimmt auf viele Verrückte in diesem Business!
Oh ja! Man muss natürlich auch Psychologie anwenden, dass all diese Egos auch das machen, was ich möchte. (lacht) Du glaubst gar nicht, wie viel Psychologie ich für diese zweite Platte anwenden musste, damit sie so zustande kommt, wie ich mir das vorgestellt habe.

Ernsthaft: Glaubst Du, es ist Dein Pluspunkt, Menschen besser verstehen zu können?
Ich denke, es ist eine wirklich gute Eigenschaft, ja. Ich bin sehr emphatisch und ich streite nicht mit Menschen, weil ich oft verstehe, dass viel von Unsicherheiten kommt. Ich bin nie böse auf jemanden. Ich verstehe die Leute gut, aber ich weiß auch, was ich will. Und dann muss ich meine Vernunft und Psychologie einschalten, dass ich am Ende die Musik machen kann, die ich machen will.

Kannst Du Dir vorstellen, dass Du auch happy wärst, wenn Du heute als Psychologin arbeiten würdest?
Ich kann nicht von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr arbeiten, das macht mich unglücklich. In den letzen Tagen war ich für einige Freunde Therapeutin. Ständig kam jemand und wollte einen Rat für eine schwere Phase. Hey, ich war so müde am Ende des Tages. Deshalb bin ich froh, dass ich Musikerin bin. (lacht)

Kannst Du Dich selbst als starke Frau bezeichnen?
Ja, das kann ich. Ich muss stark sein. Aber ich bin ein Mensch mit viel Unsicherheit, ich brauche viel Bestätigung von den Menschen um mich herum. Und ich habe nach wie vor meine depressiven Tage, genau so wie ich extrem gute Tage habe. Ich denke, dass ich offen bin für alle Emotionen – auch die negativen, macht mich am Ende des Tages zu einer starken Frau.

Muss ein Künstler nicht auch manchmal leiden, um andere wirklich zu berühren?
Absolut. Ich muss Dinge fühlen, um darüber zu schreiben.

Du hast Dein neues Album unter anderem in Los Angeles aufgenommen. Wie war der L.A. Lifestyle für Dich?
Am Anfang habe ich mich schrecklich gefühlt in Los Angeles. Es ist so oberflächlich und jeder, der dort lebt, versucht zu den Sternen zu gelangen. Ich habe dann so viel dort gearbeitet, dass ich schon etwas einsam war. Aber am Ende, als ich L.A. dann mehr kannte und ein paar ruhige Plätzchen gefunden habe, mochte ich es auch mehr. Aber du darfst da nicht allein hin, dort fühlst du dich zu schnell einsam, nimm deinen Partner mit.

Welchen Satz eines anderen Künstlers wirst Du nie vergessen?
Prince sagte einmal zu mir: ‚Nimm niemals Unterrichts-Stunden, denn du atmest Musik.‘ Ich bin ziemlich faul und so hat er mich darin bestätigt, einfach in meinem Bett liegen zu bleiben und dort Musik zu machen. (lacht)
FotoSelah

                                                                                                                            Fotos: Brainbitch, PR