Ihr Testament ist unglaublich: ein menschliches Barbecue und eine Tasche aus ihrer Haut. Wie angekündigt spricht Peta-Gründerin Ingrid Newkirk auch im zweiten Teil unseres Interviews Tacheles.
Verschließen viele Menschen die Augen oder sind sie zu wenig aufgeklärt?
Viele Leute wollen nicht hinschauen oder hinterfragen, denn so ist das Leben eben bequemer. Ich kann nur sagen: Sei erwachsen und mutig, um die richtigen Fragen zu stellen. Geh ins Internet und schaue dir Videos über die grausame Behandlung der Tiere oder Massenhaltung an, klick dich durch die Website von Peta – dann findest du schon raus, was du unterstützen solltest. Befreie dich von Gewohnheiten, mit denen du aufgewachsen bist, sondern kreiere eine Person, die du im Jetzt und in der Zukunft sein möchtest. Man muss wirklich keine Angst davor haben, dass das Leben mit dem richtigen Bewusstsein kompliziert wird. Vor dreißig Jahren war es hart, du musstest deine Sojamilch mit Sojamehl und Wasser anrühren, heute kriegst du alles im Supermarkt oder im Reformhaus. Es gibt für alles einen Ersatz: sogar Haute Couture mit veganem Leder.
Peta kämpft ja auf vielen Feldern, gibt es eine Priorität?
Jeder Mensch isst, also ist das auch unsere Hauptpriorität. Wir müssen die Menschen wachrütteln, was sie essen und wo es herkommt und welches Tier auf grausame Weise dafür sterben musste. Eine weitere Priorität ist das Verbot der Tiertests in der Kosmetikindustrie, viele Firmen umgehen das Verbot, in dem sie in China produzieren und ihre Kosmetika dann doch in Europa verkaufen. Dann ist Kleidung eine weitere Priorität: Hallo? Wir leben im 21. Jahrhundert, es gibt keine Entschuldigung mehr. Sich in Pelz und Haut zu kleiden sieht nur primitiv und altmodisch aus, außerdem arrogant und ignorant.
Welche Missstände gilt es konkret in Deutschland zu bekämpfen?
In Deutschland müssen wir noch viel für die Elefanten im Zirkus machen. Wenn ein Kind weiß, dass man ein Elefantenbaby von der Mama entführt hat und geschlagen hat, dann will es auch nicht mehr in den Zirkus. Es muss wissen, dass ein Elefant nicht freiwillig einen Handstand macht, um eine Erdnuss zu bekommen – sondern weil er weiß, dass er sonst zur Bestrafung wieder einem Elektroshocker ausgesetzt wird. Die Kunststücke sind mit Gewalt antrainiert.
Außerdem möchten wir hier die veganen Würstchen noch beliebter machen können. In Deutschland wird noch zu viel Schwein und Hühnchen gegessen.
Haben Sie eigentlich viele Haustiere?
Nein, dafür reise ich zu viel. Das ist nicht fair einem Tier gegenüber.
Was raten Sie grundsätzlich, vor der Anschaffung von Haustieren?
Man soll sich gut überlegen, ob es Sinn macht. Man hat plötzlich ein Baby: Du kannst nicht die Tür hinter dir schließen und das Tier allein lassen, du musst dich kümmern. Also wenn du viel reist, dann sage ich, lass es. Ich habe zwei Bücher geschrieben, eines über Hunde und eines über Katzen. Es geht darum, nicht zu sein wie Britney Spears. Sie hat sich Welpen angeschafft, die zu ihren Outfits passen und behandelt sie wie Spielzeuge. Irgendwann hat sie sich auf einen Hund gesetzt und ihm das Bein gebrochen. Man darf ein Tier nicht als ein Accessoire sehen. Es ist ein Individuum wie du und ich und hat Interessen. In Deutschland gibt es zum Glück hohe Standards. Aber in vielen Ländern werden Hunde nur ganz kurz an der Leine rausgelassen und dann muss das Tier alleine Zuhause sitzen und kann die Wand anstarren. Ich rate auch zur Sterilisierung und außerdem macht es Sinn, zwei Hunde zu haben – damit sich die beiden Gesellschaft leisten können. Und ganz wichtig: Holt die Tiere in den überfüllten Heimen ab und kauft nicht in einem Tiershop oder auf einem Markt.
Wird Peta in irgendeiner Form von Regierungs-Seiten unterstützt?
Nein! Die Regierungen stärken und bauen die Industrie auf. Da geht es schließlich um viel Geld für die Länder. Wir leben nur von lieben Menschen, die Geld für den Tierschutz spenden. Viele benennen uns auch in ihrem Testament, so dass wir noch nach dem Tod weiter mit dem Geld arbeiten können.
Stichwort Testament: Sie haben Ihren letzten Willen öffentlich gemacht. Darin steht unter anderem, dass sie wollen, dass ein menschliches Barbecue aus Ihnen gemacht wird und eine Tasche aus Ihrer Haut…
(lacht) Das stimmt. Ich wäre fast bei einem Flugzeug-Absturz ums Leben gekommen. Als ich überlebte, dachte ich über den Tod und vor allem meinen letzten Willen nach. Ich dachte darüber nach, wie man meine Überreste sinnvoll nutzen kann. Mein Geist ist dann ja eh raus (lacht). Ich habe also mein Testament aufgesetzt, in dem die Verfügung einzelner Körperteile steht und habe es Peta gegeben. Gleichzeitig habe ich die Leute dazu aufgerufen, Vorschläge zu schicken, was man mit einigen Körperstellen anfangen kann. Ich muss schon sagen, da kamen wirklich wahnsinnig eklige und abscheuliche Vorschläge von Jägern und Peta-Gegnern.
Zum Beispiel?
Das kann ich nicht erzählen, das ist zu eklig. Aber es kamen auch innovative Ideen. Die Technik ist ja schon weit fortgeschritten: Man kann mit meiner DNA arbeiten, man kann meine Haut klonen und Krebsmittel an mir testen. Ich bin da völlig offen: Ihr könnt Hühnchenbrust oder Newkirk-Brust haben. (lacht)
Was denkt Ihre Familie über ihren letzten Willen?
Ich sprach mit meiner Mutter darüber bevor sie starb und fragte, ob sie etwas dagegen hat. Sie sagte: „Sweetheart, wenn es das ist, was du willst, dann musst du das tun.“ Es gab andere Menschen, die Einwände hatten, aber meine Familie nicht. Meine Familie mag Aktivismus und sie haben mir beigebracht, für etwas zu leben. Man lebt nicht, wenn man nur isst, schläft, zur Arbeit geht und stirbt. Du kannst spannende Dinge tun, die dein Umfeld und die Welt verändern.