Sie ist eine WOW-Frau. Eine Erscheinung mit Klasse, einer lauten Lache und herzlichen Augen. Pari Roehi (26) war das erste transsexuelle Model, das Heidi Klum bei „Germany’s Next Topmodel“ zeigte, dass sich Schönheit nicht in Geschlechter einteilen lässt. Und dass das Thema Transgender keine Lachnummer ist, deren Protagonisten in schrillen Fummeln rumlaufen müssen und den konservativen Köpfen Angst machen. Nein, als Classy Girl präsentierte sie sich seriös und liebevoll. Und so ist sie auch hinter der der Kamera: Als Brainbitch mit ihr ein Interview vereinbart, lädt sie uns direkt zu sich Nachhause ein. Eine seltene und besondere Grundlage für ein ehrliches Gespräch. Let’s talk.
Wie fühlt sich die Aufmerksamkeit nach „Germany’s Next Topmodel“ an?
Ich war schon immer ein Spektakel für die Leute. (lacht) Ich fühle jetzt keinen Unterschied zu meinem Leben vor der Show. Als große Frau mit viel Liebe für Fashion und Make-up bist du automatisch Tuschelthema. Wenn ich auf die Straße gegangen bin, haben sich die Menschen zehn mal umgedreht und sich darüber unterhalten, welches Geschlecht ich wohl habe, oder Fotos gemacht.
Aber durch die Sendung weiß jetzt jeder, dass du eine Transfrau bist…
Ja! Vorher war es immer dieses Getuschel: Ist sie ein Mann oder eine Frau? Und jetzt ist das klar und ich freu mich darüber. Es geht jetzt weniger um meine Genitalien als um mich als Person. (lacht) Weil das mit dem Geschlecht öffentlich gemacht wurde, kann es jetzt einfach um die Pari gehen, die als erstes Transgender-Model bei „GNTM“ mitgemacht hat.
Wie geht es beruflich bei dir weiter?
Ich habe angefangen, meine Memoiren zu schreiben. Meine ganze Lebensgeschichte: Wie ich vom Iran ins Asylantenheim gekommen bin bis hin zur Geschlechtsumwandlung. Ich hoffe, dass das Buch noch nächstes Jahr rauskommt. Dann sind wir gerade in Gesprächen mit zwei Organisationen, die unter anderem Transgender-Kindern helfen. Das ist mir sehr wichtig, dass ich da meinen Teil beitragen kann und mehr Aufklärungsarbeit leisten kann. Und dann bin ich nun auch unter Vertrag bei der Modelagentur Modelfabrik in Berlin. Es wird also noch spannend dieses Jahr.
Hast du einen großen Traum?
Ich würde gerne eine Talkshow moderieren. So wie Barbara Schöneberger, mit interessanten Leuten und Themen. Ich habe so viele Träume! Ich würde auch sehr gern einmal in einem Kinofilm mitspielen.
Hast du privat einen großen Traum?
Ich habe gemeinsam mit meinem Partner natürlich viele Träume: Über allem steht der Kinderwunsch. Nicht jetzt, aber vielleicht in sieben bis zehn Jahren möchte ich gern ein Kind haben. Aber mir ist es sehr wichtig, dass unser Leben dann darauf vorbereitet ist, auch finanziell. Das Kind soll alles haben, was es braucht: eine gute Schule, eine ruhige Umgebung zum Aufwachsen, am besten in einem Haus. Das ist jetzt noch weit weg.
Zum Verständnis: Auf natürlichem Wege kannst du kein Kind zur Welt bringen.
Ich habe keine Gebärmutter, deshalb bräuchte ich eine Leihmutter oder wir können ein Kind adoptieren. Aber ich bin voller Hoffnung in die Medizin, das Thema Gebärmutter-Transplantation schreitet immer weiter voran und feiert Erfolge. Wer weiß, was in ein paar Jahren alles möglich ist.
Findest du, man muss das Thema Transgender immer wieder ansprechen, bis es normal in der Gesellschaft ist oder ist es eben gerade normal, wenn man es nicht mehr ansprechen muss?
Man muss, immer und immer wieder. Weil es nach wie vor genug Leute gibt, die keine Ahnung davon haben. Viele denken noch immer, dass es ein Witz ist oder eine Krankheit. Deshalb müssen wir für Aufklärung sorgen. Wenn wir nicht darüber reden, dann wird es nie normal sein. Und gerade bei Kindern muss man anfangen und nicht nur sagen, dass es Mann und Frau und Heterosexualität gibt. Es gibt noch viel mehr: Transsexuell, Bisexuell, Homosexuell, Asexuell, Intersexuell,… Und das Geschlecht hat gar nichts mit sexuellen Vorlieben zu tun.
Gibt es viele Missverständnisse über die Bedeutung?
Wie oft Menschen zu mir sagen ‚Du bist doch wie Conchita Wurst!‘ Nein! Er ist eine Kunstfigur, ein Mann, der als Frau auftritt. Die Leute kennen die Unterschiede meistens nicht zwischen Dragqueen, Transgender, Transvestiten und so weiter.
Warum ist das so?
Unser Problem ist nicht die Gesellschaft, es ist die Regierung. Wenn die Regierung die Augen öffnet und Maßnahmen ergreift, dann zieht auch Gesellschaft mit. So wie es in Holland ist: Die Regierung hat reagiert und das Thema Transgender ist in der Gesellschaft existent und vor allem gibt es Betreuung. Es wird für psychologische und medizinische Betreuung bezahlt. Hier in Deutschland wird immer gegen die Politik gekämpft, doch das ist die falsche Richtung. Eigentlich muss die Politik für uns kämpfen. Deutschland und Frankreich sind da sehr hinterher. Das ist eine Schande.
Wird das Thema in Holland in der Schule aufgegriffen?
Es kommt natürlich schon darauf an, wo du wohnst. Aber in größeren Städten kommen regelmäßig Organisationen, die über das Schwul- oder Transgender sein mit den Kindern reden und Hilfe anbieten. Auch im Fernsehen findet das Thema sehr oft statt und die Menschen können etwas damit anfangen.
Sind dann dort die Zahlen der Geschlechtsumwandlungen höher?
Ich habe letztens erst gehört, dass die Krankenhäuser mittlerweile überfordert sind. In Amsterdam gibt es verschiedene Krankenhäuser, die sich darauf spezialisiert haben. Dort ist der Andrang so groß, dass jeder auf eine lange Warteliste kommt.
Cut: Im zweiten Teil des Interviews spricht Pari über Caitlyn Jenner, Brainbitches, ihren Perfektionismus und das Kapitel Reisepass.
Danke Pari für die Offenheit und Danke Robertina Jeno für die tollen Bilder.