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Es ist sein Geburtstag und ich habe meine Tage. Der Rücken schmerzt und mein Unterleib fühlt sich an, als würde ich jeden Moment ein Elefantenbaby zur Welt bringen. Viel schlimmer für meinen Mann: Er bekommt an seinem Ehrentag keinen Sex! Buh. Die meisten Frauen wissen, wie es weitergeht: Ich werfe mir stündlich Buscopan ein, um auch nur ansatzweise lebensfähig zu sein, während ich mich ständig dafür rechtfertige, dass mein Körper es wagt, an seinem Geburtstag zu menstruieren.

Ich frag‘ mich: Warum müssen wir Frauen uns eigentlich immer noch für unsere Periode entschuldigen? Schließlich sind wir die Leidtragenden dieses von der Natur so geschickt eingefädelten körperlichen Ausnahmezustandes, der sich Menstruation nennt. Frauen müssen sich Monat für Monat anhören, dass sie an den roten Tagen unpässlich sind, riechen oder gar ekelhaft sind. Mein absoluter Hass-Satz und Dauerbrenner „Die hat bestimmt wieder ihre Tage!“ ist fast gesellschaftsfähig geworden.

Aber nur fast, denn die Periode ist in sehr vielen Ländern noch immer ein Thema, das man unter den Teppich der weiblichen Makel kehrt:  Laut einer der größten weltweiten Umfragen über den weiblichen Zyklus von „Clue“ und der International Women´s Health Coalition fühlen sich 77 % der Frauen unwohl mit männlichen Arbeitskollegen offen über ihre Tage zu sprechen. In Ländern wie Tschechien und Frankreich benutzen 96 % und 91 % der Menschen eine Umschreibung für die Menstruation. Auch wir Deutschen sprechen lieber von der Erdbeerwoche, der roten Flut oder vom Besuch von Tante Rosa. In vielen Ländern werden Mädchen nach wie vor nicht über die Periode aufgeklärt. Russland und Weißrussland liegen hier mit 75 % und 69 % an der Spitze.

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Aus diesem Grund haben Feministinnen der Stigmatisierung der Periode den Kampf angesagt – der weltweite Blutrausch hat im letzten Jahr begonnen! Langsam zwar, aber immerhin. Im November 2015 bezeichnete die amerikanische Cosmopolitan das letzte Jahr als das Jahr, in dem die Periode öffentlich wurde. Einige mutige Frauen trugen  dazu bei, dass die Periode tatsächlich in das öffentliche Bewusstsein gerufen wurde. Ein kleiner Schritt für sie, ein hoffentlich großer für die verklemmte patriarchalische Gesellschaft.

Die Agenda der Blutrevolution: Im Januar eröffnete die Britische Tennisspielerin Heather Watson im Rahmen der Australian Open den Kampf gegen das Tabu, indem sie ihre Niederlage auf bestimmte „girl things“ schob. Damit brachte sie diese Diskussion nicht nur in die Öffentlichkeit, sondern auch in den Sport.

Im März gewann die kanadische Poetin und Fotografin Rupi Kaur einen Streit gegen Instagram. Das soziale Netzwerk hatte ihr Bild einer schlafenden Frau mit Menstruationsfleck zwischen den Beinen von ihrem Account gelöscht Sie protestierte und Instagram entschuldigte sich später dafür. Der Vorfall ging viral und ermutigte Frauen weltweit, ebenfalls Bilder mit menstruellen Inhalten zu posten.

Den nächsten Meilenstein in Sachen „Free Bleeding“ brachte die Feministin Kiran Gandhi im April zum Rollen: sie lief den London Marathon während sie ihre Tage hatte – ohne Tampon. Geplant war das nicht, doch als die Menstruation am Abend vor dem Lauf losging, schwor sie, sich davon nicht das wochenlange Training kaputt machen zu lassen. Also lief sie mit blutverschmiertem Unterleib durch London und widmete diese Aktion allen Frauen, die nicht die Möglichkeit haben, an Hygieneartikel zu kommen und offen mit ihrem Körper umzugehen. (In Indien zum Beispiel haben nur 12 % der Frauen überhaupt Zugriff auf Tampons und Binden.)

Im Mai 2015 sprach der amerikanische Comedian Larry Wilmore in seiner „The nightly Show“ mit Politikerin Nicolle Wallace öffentlich über die weibliche Periode und deren Zusammenhang mit Konstruktivität am Arbeitsplatz – besonders in der Politik. Wallace Satz: „Yes, I worked in the White House, and yes, every 28 days I bled, but the country went on“ brachte die Sinnlosigkeit der Diskussion auf den Punkt.

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Im Juli erklärten die Komiker Kay & Peele in ihrer Show den männlichen Zuschauern auf unterhaltsame Weise – quasi von Mann zu Mann – was es mit der weiblichen Periode auf sich hat. Im gleichen Monat reagierte die Kanadische Regierung auf das Begehren der Bevölkerung, die Steuern auf Hygieneartikel abzuschaffen. Auch in Großbritannien gehen die Mädels auf die Straße, um für ihre Weiblichkeit zu kämpfen.

Einen ausgewachsenen Shitstrom musste sich Donald Trump im August zurecht über sich ergehen lassen. Er hatte die Journalistin Megyn Kelly auf ihre Periode degradiert: „You could see there was blood coming out of her eyes. Blood coming out of her wherever.“ Diese Rechnung hatte er ohne die Internet-Gemeinde gemacht, denn der prompt ins Leben gerufene Hashtag #periodisnotaninsult (die Periode ist keine Beleidigung) verdeutlichte, dass derart sexistische Aussagen in der Öffentlichkeit nichts verloren haben.

Die rote Welle ist also nicht aufzuhalten: In Teilen Indiens sind die Frauen jetzt auch öffentlich #happytobleed, in Karlsruhe und anderen Europäischen Städten klebt die Aktivistin Elonë Binden an Laternen mit Parolen wie: „Imagine if men were as disgusted with rape as they are with periods.“ Auf Twitter und Co. erinnern uns Frauen und Männer daran: #itsjustatampon!

Wenn ich also meine Tage habe und nicht wie in der Werbung in weißer Unterwäsche fröhlich und willig auf meinem Bett herumspringe, sondern mit Bauchkrämpfen und Wärmflasche heulend im Bett liege, wünsche ich mir einfach ein bisschen mehr Respekt, ohne mich erklären zu müssen.

Von Purista Schäfer